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Neubau Elbphilharmonie Hamburg

Projekt Neubau Elbphilharmonie Hamburg
Bauort Platz der Deutschen Einheit 1, 20457 Hamburg
Bauherr ReGe HH Projekt-Realisierungsgesellschaft mbH
Zeitraum 2000 - 2015 Architekt ARGE Generalplaner Elbphilharmonie
Herzog & de Meuron / Höhler + Partner
Leistungen Tragwerksplanung LPH 1-4 und 6
(in Kooperation mit Schnetzer
Puskas Ingenieure AG, Basel)
Konstruktion Fassadensicherung der nach innerem Abbruch
freistehenden Speicherfassaden, Tiefgarage
als wasserundurchlässige Stb.-Konstruktion,
Berücksichtigung von Flutschutz und
Schiffsanprall, Stb.-Wände und -Stützen
in hochfesten Betongüten bis C80/95,
Stahlbeton-Flachdecken System Cobiax
einseitig gestützte "Rolltreppen-Tube" aus
Stahlbeton, weitgespannter Abfangträger
für Eingangsöffnung in der historischen
Kaispeicherfassade, stützenreduzierte
fünfgeschossige Doppel-Parkhausspindel
aus Stahlbeton unter Einwirkung großer
Konzertsaal- und Gebäudedachlasten,
Gebäudeaussteifung mittels durchgängig
verlaufender Stahlbeton-Treppenhauskerne,
Tiefgründung als Kombination aus neuen
Teilverdrängungsbohrpfählen und den
Stb.-Rammpfählen des alten Kaispeichers

Leistungsbild "Tragwerksplanung" beim Bau der Elbphilharmonie

Dem architektonischen Entwurf sowie der ingenieurtechnischen Freiheit waren immer wieder Grenzen vorgegeben. Schon im frühen Planungsstadium bildete sich für den Kaispeicher ein immenses Spannungsfeld zwischen der Ermöglichung vielfältiger Nutzungsarten innerhalb der historischen Backsteinfassade und der sicheren Lastabtragung aller „philharmonischen“ Neubaulasten durch den Bestand in den Baugrund. Unter Federführung des Baseler Ingenieurbüros „Schnetzer Puskas Ingenieure AG“ wurde in einer Arbeitsgemeinschaft mit dem Büro für Tragwerksplanung „Rohwer Ingenieure GmbH“ aus Jarplund bei Flensburg frühzeitig eine Aufgabenteilung für die Lösung der tragwerksplanerischen Herausforderungen festgelegt. So wurden die Tragkonstruktionen aller Gebäudeteile oberhalb der Plaza und insbesondere die komplexen dreidimensionalen Tragstrukturen des Gebäudedachs, des großen und des kleinen Konzertsaals in Basel konzipiert. Auf der Plazaebene erfolgte dann eine Lastübergabe, so dass im ca. 810 km entfernten Jarplund in steter Abstimmung Tragstrukturen für den letztendlich völlig entkernten Kaispeicher entwickelt wurden, um die Gebäudegesamtlast in verträgliche Gründungslasten zu überführen.

Zu den Gründungslasten zählten dabei nicht nur alle Vertikal-, sondern auch signifikante Horizontallasten, die im Wesentlichen aufgrund der exponierten Lage der Elbphilharmonie aus den einwirkenden Windlasten resultierten. Auch dieser Lasttypus wurde in einem dreidimensionalen Gebäudeaussteifungsmodel von den „Rohwer Ingenieuren“ erfasst und bemessungstechnisch verfolgt. Von Anfang an war eine zentrale und wichtige Aufgabe der „ARGE Tragwerk“ die Entwicklung eines Gebäudelastmodells unter Berücksichtigung der architektonischen Randbedingungen und der bestandsbedingten Gründungsmöglichkeiten. Durch dieses Lastmodell, eine Kombination aus Statiksoftware und Excel-Tabellen, konnte der Lastfluss vom Gebäudedach bis zur Gründungsebene nachvollziehbar gemacht und Gründungslasten an festgelegten Lastpunkten ermittelt werden. Im Projektverlauf wurde das Lastmodell immer wieder an den fortgeschrittenen Planungsstand angepasst und durchgerechnet. Gerade erforderliche Konstruktionsänderungen am Gebäudedach oder im Tragsystem des großen Konzertsaals konnten zwar lokal betrachtet schnell und zielführend statisch bewertet werden. Die Auswirkungen im globalen Gesamttragwerk des Gebäudes und Konsequenzen für die Gründungssituation waren jedoch nur durch aufwendige Neuberechnungen des Lastabtrages zu ermitteln.

Die Gründe hierfür lagen in der komplizierten und wechselnden Struktur der lastführenden Haupttragglieder des Gebäudes. Während im Neubauteil der Elbphilharmonie zur Realisierung der ambitionierten und reizvollen Architektur des großen Saals ein individuelles Tragwerk mit strukturfreien Auflagerpunkten nötig war, bedurfte es innerhalb des Kaispeichers einer Ordnung und Rückführung der Neubaulasten auf ein stringentes Stützen- und Lastpunkraster, das im Tragsystem und dem Gründungsraster des alten Kaispeichers begründet war. Denn auch wenn der Kaispeicher vollständig entkernt und innerhalb der vier Bestandsfassaden ein kompletter Neubau konstruiert wurde, so wurden doch in weiten Teilen die bestehenden Rammpfähle des Altgebäudes zur Gründung der Gebäudegesamtlasten herangezogen. Die geometrische Anordnung der zu erreichenden Bestandspfahlgruppen definierte gewissermaßen als Zwangsbedingung die Tragstruktur im Kaispeicher.

Auch in diesem waren von den „Rohwer Ingenieuren“ tragwerksplanerische Lösungen für zahlreiche Aufgabenstellungen mit großen Schnittmengen zum architektonischen Gestaltungsanspruch oder zu nutzungsbedingten Rahmenbedingungen zu erarbeiten. Neben den Standsicherheitsnachweisen für die nach innerem Abbruch freistehenden, 36 m hohen Speicherfassaden gehörten dazu die Entwicklung von Tragsystemen für die nur einseitig unterstützte Rolltreppentube, für die stützenreduzierte Parkhausspindel, in die große Anteile der Saallasten eingeleitet werden mussten, oder für die stützenfreie Fassadenöffnung im Erdgeschoss des Speichers für den ostseitigen Hauptzugang und die Parkhausein- bzw. –ausfahrt. Diese Teiltragsysteme im Kaispeicher machten ebenfalls Lastabfangungen und -umleitungen erforderlich, um schlussendlich wieder im Achssystem der Bestandsgründung anzukommen. Der Kaispeicher A wurde seinerzeit auf 1.111 Rammpfählen gegründet. Von diesen konnten in Abhängigkeit ihrer Grundrisslage und der neuen Tragstruktur im Speicher 931 wieder für die Abtragung der Gründungslasten verwendet werden, was einem Anteil von 84 % entspricht.

Die Bestandspfähle haben nach Untersuchungen der „IGB Ingenieurgesellschaft mbH“ und gestützt durch Forschungen des Instituts für Geotechnik und Baubetrieb der TU Hamburg-Harburg eine zeitliche Steigerung ihrer Steifigkeit und Tragfähigkeit erfahren. Diese Lastkapazitäten wirkten sich positiv im Gründungskonzept aus. Trotzdem war es erforderlich, Lastspitzen in der Gründungsebene mit Hilfe einer Nachgründung durch 628 Teilverdrängungsbohrpfählen abzudecken. Die Lastkonzentrationen resultierten aus den oben bereits beschriebenen Strukturrückführungen der Neubaulasten auf das alte Speicherachssystem. Hierbei erwiesen sich neben der weitgespannten Saalkonstruktion architektonisch gewollte Stützenfreiheiten auf der Plaza in der Fassadenebene, im Zugangsbereich zu den beiden Konzertsälen und im Hotelfoyer als gravierender Einfluss. Unter einzelnen Laststrängen wurden Bestandspfahlgruppen durch Nachgründungspfähle verstärkt. Die konkrete Lastverteilung auf die beiden Pfahltypen erfolgte dabei durch einen gemeinsamen Stahlbetoneinzelfundamentblock oder durch eine verteilende Stahlbetonwandscheibe. Das zweite Untergeschoss des Speichers fungierte als Gründungs- und Lastverteilebene, in der geschosshohe Stahlbetonfundamente und –platten als dominierende Bauteile konzipiert wurden.

Im Bereich der drei aussteifenden Treppenhauskerne waren ebenfalls große Nachgründungsbereiche erforderlich. Unter den Kernen wurde eine geschosshohe und zusammenhängende Fundamentplatte angeordnet, durch die auch hier die Verteilung der einwirkenden Lasten auf jeden einzelnen Pfahl ermöglicht wurde. Am Ende einer jeden Lastabtragsberechnung wurden in einem Finiten-Element-Modell durch die „Rohwer Ingenieure“ alle 1.559 Pfahlkräfte ermittelt. Das Büro „Rohwer Ingenieure GmbH“ war an dieser Stelle auch wichtiges Bindeglied zur „IGB Ingenieurgesellschaft mbH“, die in der Arbeitsgemeinschaft der Generalplaner für alle geotechnischen Fragestellungen, für Baugrunduntersuchungen und für die Festlegung eines geeigneten Pfahlgründungssystems verantwortlich war.

Aus gemeinsam gemachten Gründungserfahrungen der beiden Büros beim Bau der Gebäude des benachbarten „Hanseatic Trade Centers“ lagen viele Erkenntnisse zum anstehenden Baugrund und hiervon abhängig für geeignete Pfahlsysteme vor. Nach Auswertung der ermittelten Pfahlkräfte konnten durch Büro IGB Setzungsberechnungen durchgeführt und Aussagen zur möglichen äußeren Tragfähigkeit der Bestands- und Nachgründungspfähle gemacht werden. Mit präzisierten Angaben zum Trag- und Setzungsverhalten der Pfahlgründung konnte in Jarplund dann wiederum in iterativen Rechendurchläufen das Gründungssystem der Elbphilharmonie kontinuierlich statisch und wirtschaftlich optimiert werden.